Der Geist braucht Entspannung

Ausgeruht wird er mit frischem Elan und größerer Schaffenskraft seine Aufgaben anpacken.

Seneca, Von der Gelassenheit, S. 85/86

Atem ist Leben. Das Atmen ist uns so selbstverständlich und doch ein Wunder der Natur. Im Mutterleib ist die Lunge des Kindes vollständig mit einer von der Lunge selbst produzierten Flüssigkeit gefüllt. Sie sorgt dafür, dass sich die Lunge entwickelt. Kurz vor der Geburt wird die Flüssigkeit nach und nach abgebaut. Direkt nach der Geburt setzt es dann ja den Klaps auf den Po, der neue Erdenbürger schreit (hoffentlich) zur Freude der Eltern. Dabei wird der letzte Rest der Flüssigkeit abgehustet und erst dann kann das Kind seinen ersten Atemzug tun. Das Leben beginnt so gesehen mit dem Ausatmen. Das Einatmen ist ein aktiver Vorgang und wird durch Muskelbewegung ermöglicht, die Ausatmung verläuft passiv. Die Luft fließt einfach (unangestrengt) aus uns heraus. So ist unser letzter Atemzug auf dieser Welt ja auch das Ausatmen und unser Leben wird so ausgehaucht.

Der Rhythmus des Ein- und Ausatmens begleitet uns das ganze Leben. Das Atemzentrum liegt im Hirnstamm und koordiniert die Arbeit der Atemmuskulatur, so dass unser Körper genau soviel an Sauerstoff bekommt, wie er benötigt. Das Atmen geht völlig unbewusst vor sich – selbst bei Bewusstlosigkeit funktioniert das Atemzentrum im Gehirn.

Am Rhythmus unser Atmung wird auch der Zustand unserer Seele deutlich, wie stark, wie schnell und wie tief wir atmen. Sind wir gelassen und entspannt, atmen wir ruhig, gleichmäßig und unangestrengt. Wenn wir uns erschrecken, stockt uns der Atem und wir atmen erleichtert auf, wenn sich die Situation dann als harmlos herausstellt. Wir können die Luft anhalten und testen, wie lange wir ohne Luft-zu-holen auskommen. Eine tiefe, ruhige (Zwerchfell-) Atmung erzeugt Entspannung und so ist es inmitten eines hektischen und stressigen Tages erholsam für ein paar Minuten allein zu sein und einfach tief und ruhig ein- und auszuatmen. Auf diese Weise sind wir in der Lage, durch bewusste Veränderung der Atmung sowohl die Körperfunktionen als auch die Gefühle selbst zu beeinflussen.

Beim Meditieren nutzen wir die Atmung dazu den Geist zu beruhigen und bewusst ein körperliches und seelisches Wohlbefinden herbeizuführen. Das Erlernen richtiger Atmung wiederum kann zur Heilung körperlicher und psychosomatischer Störungen beitragen und depressive Phasen lindern. Je länger wir üben, desto höhere Mengen des Stresshormon Noradrenalin braucht es, damit sich der Blutdruck und die Herzschlagfrequenz sich erhöhen. Je achtsamer wir dem Atem gegenüber werden, desto mehr sind wir in der Gegenwart. So werden langsam der Atem, das Atmen und Atmende eins.

Hier eine Anregung für eine Atem-Entspannungs-Übung:

  • Wähle ein Wort, einen Begriff, ein Mantra, das Du als Fokus verwenden willst oder konzentriere dich nur auf deinen Atem „Ja zum Leben“ beim Einatmen und „Danke für das Leben“ beim Ausatmen
  • Sitze ruhig und in bequemer Haltung.
  • Schließe deine Augen.
  • Entspanne deine Muskeln.
  • Atme langsam und natürlich, wiederhole dein Fokuswort jedesmal beim Einatmen- und Ausatmen.
  • Bleibe passiv, kümmere Dich nicht darum, ob Du es gut machst. Wenn deine Gedanken wandern, lenke sie auf den Fokus zurück.
  • Vielleicht ist für Dich auch die mentale Ausrichtung hilfreich, beim Ausatmen mehr „loszulassen“.

Dies ist ein einfacher Weg zur Entspannung,  wenn wir diese Methode 1- bis 2-mal pro Tag für  5-10 Minuten durchführen.

Und ein guter praktischer Start zu mehr Gelassenheit, weil hierbei Körper, Seele und Geist gemeinschaftlich beteiligt sind. Denn Gelassenheit und Entspannung sind eine ganzheitliche innere Haltung.

Wer sich mit der spirituellen Dimension von „Gelassenheit“ vertiefend beschäftigen möchte, dem sei das Buch von Sogyal Rinpoche: „Das Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben“ ans Herz gelegt.

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